Leyla
Dies
ist eine Geschichte über gelungene Fehlkommunikation. Falls ihr
nicht wisst, was das ist, Kommunikation war das, was man gemacht hat,
als man noch persönlich miteinander geredet hat und sich dabei live
und in Farbe sehen konnte.
Es
war einmal ein Mädchen namens Leyla. Sie besuchte die achte Klasse
eines Gymnasiums in Bayern. Leyla war etwas moppelig, aber nicht
entstellend oder so. Ihr Gesicht war hübsch. Die paar Pickel auf der
Nase, am Kinn oder an der Stirn fielen kaum auf. Sie selber fand sich
allerdings nicht besonders schön. Das wusste aber keiner. Aber auch
sonst war Leyla unauffällig. Sie trug keine aufregenden
Markenklamotten. Sie trug nur viele Accessoires wie Armbänder,
Haarbänder und Haarspangen,aber die passten zu ihr. In der Schule
war sie gut, lies andere ihre Hausaufgaben abschreiben. Man konnte
fast meinen, es war ihr egal, denn sie sagte kaum etwas. Natürlich
hatte sie Freundinnen, mit denen sie redete, aber denen vertraute sie
kaum etwas an. Leyla war generell ein ziemlich stilles Mädchen. Sie
hatte ihre eigene Meinung und konnte auch „Nein“ sagen, wenn sie
wollte. Sie wollte aber meistens nicht. Ihre Unauffälligkeit führte
wohl dazu, dass keiner sie fragte, warum nicht. Aber Leyla hätte die
Frage wohl sowieso nicht gehört. Wenn sie gerade nicht selber
Klavier spielte, hörte sie Musik. Ihren eigenen Geschmack, gar nicht
unbedingt das, was gerade modern war. Überhaupt machte sie das, was
ihr gefiel. Es interessierte sie nicht, was andere von ihr dachten.
Allerdings interessierte es auch keinen, was sie dachte. Doch eines
Tages traf sie Lars.
Lars
war nicht so wie die anderen. Lars fragte nach, warum sie in der
Mittagspause nicht mit den anderen wegging, sondern lieber allein
irgendwo saß, Musik hörte und ein Buch las. Lars wollte wissen, was
hinter dem dunklen Pony vorging. Leyla war so überrascht und
beeindruckt von dem strohblonden, kleinem Elftklässler, dass sie
begann, mit ihm zu reden. Sie erzählte ihm unter anderem von ihrem
größten Traum: Nach dem Abi eine Weltreise, so ähnlich wie Work &
Travel. Lars wusste nach einiger Zeit sogar über Al und PJ Bescheid,
mit denen Leyla nach Gerüchteküche der Schule abwechselnd, wenn
nicht sogar gleichzeitig zusammen war.
Das
stimmte natürlich nicht. Mit Al war sie in der Fünften mal drei
Monate zusammen gewesen, das hatte sich aber in den Sommerferien im
Sand verlaufen. Aus Scham hatten sie die beiden danach fast
anderthalb Jahre kein einziges Wort miteinander geredet. Das wäre
wohl auch so geblieben, hätte sich Leyla nicht mit Jana als Mutprobe
darauf eingelassen, mit Al zu reden. Egal worüber, einfach nur
reden. Doch Leyla verstand sich auf Anhieb wieder so gut mit Al und
PJ, dass die eifersüchtige Jana die Gerüchteküche natürlich
weiter anheizte. Doch das störte die Freundschaft zwischen den
beiden Jungs und Leyla kein bisschen. Sie fuhren weiterhin gemeinsam
Zug, gingen sich in der Schule aber trotzdem aus dem Weg.
All
das erfuhr Lars in einer dreiviertelstündigen Mittagspause. Leyla
konnte es kaum fassen: Lars hatte an keinem Punkt über sie
geurteilt, nur ab und zu nachgefragt. Leyla glaubte schließlich,
endlich jemanden gefunden zu haben, dem sie vertrauen konnte. Klar,
da waren Al und PJ, aber was Geheimnisse anging, dazu kannten deren
Eltern Leylas zu gut. Doch für Lars war Leyla mehr als nur eine
Freundin. Sie sollte seine verflossene Jugendliebe werden, aber das
wusste er da noch nicht. Nein, er deutete Leylas Signale komplett
falsch. Und hier haben wir es, das Kommunikationsproblem.
Leyla
bemerkte Lars' Verhalten. War auch nicht schwer. Anmachsprüche wie
beispielweise „Na, dich würde ich nicht von der Bettkante stoßen“
konnte man wohl auch gar nicht anders deuten. Jedenfalls berichtete
sie irgendwann Al und PJ, die eigentlich Alexander und Piedro
Jasikusov hießen, von Lars. PJ schlug vor, ihm einfach ins Gesicht
zu sagen, was sie dachte. Leichter gesagt als getan. Aber Leyla
versuchte es. Dreimal. Dreimal sagte sie Lars, dass sie ihn zwar als
Freund schätzte, aber ganz und gar nicht in ihn verliebt war. Ein
viertes Mal wollte sie das nicht tun müssen. Sie bat Al und PJ also
wieder um Hilfe. Doch die wussten auch keinen Rat mehr. Als sie eines
Tages in der Pause doch alle drei zusammen standen, rief Al auf
einmal nach Lars. Leyla ahnte, was jetzt kommen würde. Sie tat das
Schlimmste, was sie in dieser Situation hatte tun können: Sie lief
einfach weg,
Als
Lars sie am Nachmittag auf Facebook anschrieb, chattete sie auch
gerade mit Al. Jedes Wort sprach sie mit ihm ab. Sie wusste nicht,
was sie schreiben sollte. Lars wertete es als „Ja“ als Antwort
auf die Frage, ob es stimme, was Al gesagt habe. Leyla fühlte sich
so schlecht, dass sie mehrmals kurz davor war, sich bei ihm zu
entschuldigen, wovon Al und PJ sie auch nur mit Müh und Not abhalten
konnten. Was Leyla nicht wusste: Al hatte Lars folgendes
geschrieben:
"Lars, ich weiß dass du das nicht hören magst, aber es stimmt, was ich dir gesagt habe. Leyla beschwert sich fast täglich. Aber sie ist zu gutherzig um es dir zu sagen. Deshalb habe ich versucht es dir zu sagen. Bitte geh ihr einfach aus dem Weg in der nächsten Zeit. Sorry, aber du bist einfach nicht ihr Typ!"
Leyla
war Al sehr dankbar dafür. Sehr sehr dankbar. Denn so war sie raus
aus der Nummer. Trotzdem tat es ihr Leid, dass Lars es so erfahren
musste. Aber prinzipiell wollte sie es ja genau so. Wenn sie jetzt
nicht wollte, dass alles wieder von vorne anfing, musste sie es wohl
oder übel dabei belassen.
Ein
gutes hatte die ganze Geschichte aber: PJ, Al und Leyla machten jetzt
auch in den Pausen und nachmittags öfter was zusammen. Leyla hatte
viel gelernt. Eine Sache war, dass manchmal erst Dinge kaputt gehen
müssen, damit man andere wertschätzen lernt. Eine andere Sache war,
dass Leyla den Menschen um sich herum traute. Sie lernte, dass sie
nicht alles hinnehmen konnte. Und soe sah ein, dass man Freunde
brauchte, die einen aufbauten und unterstützten. Denn sie wusste
nicht, was sie ohne PJ, Al und die Mädels gemacht hätte.
Das war im März. Jetzt, im neuen Schuljahr im Oktober, sah die Welt für Leyla schon wieder anders aus. Sie hatte immer noch ein schlechtes Gewissen, und schämte sich fast noch mehr. Also grüßte sie Lars wieder, wenn sie ihn auf den Gängen traf und lächelte, sobald sie ihn sah, obwohl sie am liebsten im Boden versunken wäre. Doch Lars schien nicht, als wäre er sauer. Leyla war froh darüber, denn sie hatte schon wieder ganz andere Probleme. Doch dazu ein anderes Mal.
L.
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